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Matthias Schrappe
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Rückkehr nach Reims von Didier Eribon, Edition Suhrkamp, Berlin 2016, ISBN 978-3-518-07252-3 (06.02.2017) Die Zeit geht dahin, die Bücherstapel wachsen, Webseite kann warten, und plötzlich eine Wahl in den USA, die sich in ihren Ursachen so nahtlos in einem spannenden Buch spiegelt, das in Nordfrankreich (in Reims) spielt: Retour à Reims, in der deutschen Übersetzung gerade neu bei Suhrkamp. Didier Eribon, ein unabhängiger Intellektueller (Soziologe, Philosoph) und Zeitgenosse einiger französischer Größen wie Foucault (über den er eine bekannte Biographie schrieb) reflektiert seine eigene Geschichte, seine Herkunft aus dem kleinbürgerlichen und Arbeitermilieu (in Reims). Es ist ein äußerst selbstkritisches Buch, denn im Zentrum steht das Versagen der Linken, die sich (und das gilt für Frankreich und die USA gleichermaßen) von ihren sozialen Wurzeln, von der sozialen Frage loslöst und dem Champagner mit Kaviarbrötchen zuwendet. Man könnte daher den Titel abwandeln: Rückkehr nach links. Manche(r) wird sagen; zuviel des “Zurück”, nur wenn es noch mehrere Wahlen geben wird, die nach Schema Trump ablaufen (Österreich, Frankreich...), dann wird immer deutlicher werden - der Rechts-Populismus ist und bleibt das Versagen der Linken. Das Buch ist sicherlich kein Abenteuerroman, nicht mal ein Entwicklungsroman, eher ein politisches Buch mit persönlichem, erzählerisch - autobiographischem Hintergrund, aber gerade das macht die Aktualität aus. Packend und gerade in Deutschland von hoher Relevanz: die Schilderung der sozialen Segregation in der Schule und Universität - gläsernde Decken gibt es nicht nur für Hillary, sondern für viele Gruppen, und eben nicht zuletzt, sondern zuvörderst für die soziale Schichtung. Dass in dieser biographischen Schilderung die Homosexualität des Autors einen breiten Raum einnimmt, kann nicht verwundern, wenngleich der Autor (und das soll die einzige Kritik sein) hiermit seine These des Primats der sozialen Frage selbst etwas relativiert. Sachlich spricht aber viel dafür, diese Themen zusammenzuführen, denn die Wahl in den USA zeigt ja, dass der soziale Zündstoff erst zusammen mit der Abwehr “der Anderen” zu einem hoch-explosiven Gemisch vermengt wird. Nun warten wir mal ab, wie die Präsidentenwahl bei unserem westlichen Nachbarn im nächsten Jahr verläuft. Ach ja, vorher noch Österreich. Und nicht vergessen, unsere Bundestagswahl im September ‘17. Ob Trump im Wahlkampf die Bundesrepublik Deutschland besucht? Und auf wessen Einladung hin? Da kann man gespannt sein. Und noch etwas (nur wenige (enge) Freunde werden es verstehen): USA und Reims, das hatten wir schon mal.
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