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► Die Qualität auf der Ebene des gleichen Sektors ist gefährdet, wenn die Anreizwirkung eines Instrumentes wie P4P trotz erhaltenem Zugang zur Versorgung und professioneller sowie institutioneller Akzeptanz nicht zur gewünschten Verbesserung der Versorgung führt, ohne dass dies auf methodische Ursachen wie z.B. inadäquate Kopplung von Qualität und Vergütung zurückzuführen wäre (s. Tableau 16). Einer der hier relevanten Mechanismen wird als teaching to the test bezeichnet. Man versteht darunter die einseitige Ausrichtung der Aktivitäten auf den Indikator unter Vernachlässigung der anderen Aufgaben, um “gue Ergebnisse” zu erzielen (Brown et al. 2014, Casalino und Elster 2007). Durch dieses Verhalten wird die “Stellvertreterfunktion” des Indikators, der als gut messbarer Parameter Qualitätsprobleme in einem Versorgungsbereich vorhersagen soll, untergraben (s. Kap. 1.4.). Es handelt sich hierbei um eine dem Indikatorkonzept immanente Gefahr, denn Indikatoren machen Qualitätsprobleme explizit und lösen Vermeidungsreaktionen aus. Bei P4P und anderen Formen des “Qualitätswettbewerbs” (zur Systematik s. Abb. 1) ist diese Gefahr noch größer, denn P4P tendiert dazu, finanzielle Resourcen von nicht angereizten Leistungen zu angereizten Leistungen zu allozieren (Ryan 2010). Allerdings ist dieses Phänomen zumindest in den amerikanischen Programmen nicht in großem Umfang zu beobachten gewesen (Ryan und Blustein 2012). Ganz entscheidend ist die Frage, ob ein spill over zu anderen, nicht angereizten Leistungsbereichen nachzuweisen ist, und ob sich durch P4P im Sinne der lernenden Organisation eine bleibende Verbesserung der Versorgung erreichen lässt, auch wenn das P4P-Programm beendet wird. Im QOL-Programm in Großbritannien konnte gezeigt werden, dass nicht angereizte Leistungsbereiche sich nicht verbessern, obwohl dies eigentlich angenommen worden war (Gillem et al. 2012, Langdown und Peckahm 2013). Zumindest in einer Studie konnte nachgewiesen werden, dass nach Beendigung von P4P-Anreizen die Qualität der von P4P betroffenen Leistung wieder zurückgeht (Lester et al. 2010). ► Die Qualität auf Systemebene wird hier von der potentiellen Qualitätsverschlechterung auf der Ebene des gleichen Sektors abgegrenzt, um die Gefährdung allgemeiner Gesundheitsziele (adäquate Behandlung chronisch und mehrfach erkrankter Patienten, Mengenanreiz, Versorgungsengpässe) zu kennzeichnen (s. Tableau 16.1). Man kann das ceiling, den ausbleibenden Verbesserungseffekt durch mangelndes Verbesserungspotential, auch als methodisches Problem ansehen, aber es hat in jedem Fall systemische Auswirkungen, weil das Instrument in Verruf gerät und Resourcen für die Messung und gesonderte Vergütung von Indikatoren verwendet werden, bei denen gar keine Möglichkeit einer Verbesserung mehr besteht (Bhattacharyya et al. 2009, Doran und Roland 2010). Ceiling tritt besonders dann auf, wenn die für P4P verwendeten Indikatoren bereits lange im Gebrauch sind und auch schon für andere Anreizsysteme (in erster Linie Public Reporting) verwendet wurden (Ryan und Blustein 2012). Insbesondere bei ungenügend risikoadjustierten P4P-Konzepten auf Basis von Ergebnisindikatoren kann es zu einer Benachteiligung kleiner Einrichtungen kommen (Davidson et al. 2007), so dass in ländlichen Regionen sogar die Gefahr einer Unterversorgung entsteht. Ist die Abgrenzung zur Einzelleistungsvergütung ungenügend, kann der Mengenanreiz, z.B. bereits bestehend durch das DRG-System, noch verstärkt werden. Wenn P4P nicht zielgerichtet und strategisch eingesetzt wird, kann die Versorgung von Patientengruppen, die von besonderem Interesse sind (z.B. die Versorgung von multimorbiden chronisch Kranken) unter P4P sogar leiden (Cannon 2006), insbesondere falls sich darunter die Tendenz zur Risikoselektion verbirgt (s.o.). In einer bemerkenswerten Stellungnahme von H. Luft wird darauf hingewiesen, dass die Datenmenge und -verfügbarkeit, die für das Funktionieren von P4P notwendig sind (insbesondere für die Risikoadjustierung), eine ernsthafte Bedrohung des Datenschutz darstellen kann (Luft 2012) . ► Die Kosteneffektivität von P4P ist letztendlich auch als Systemparameter anzusprechen, denn wenn die Kosten für die Durchführung von P4P derart hoch sind, dass sie an anderer Stelle sinnvoller zur Qualitätsverbesserung hätten eingesetzt werden können, ist das Ziel einer besseren und kostenbewussteren Gesundheitsversorgung nicht erreicht (Roland 2004). Die Kosteneffektivität ist aber sehr wenig untersucht (Cannon 2006), in Großbritannien wird eine gemäßigte Kosteneffektivität berichtet (Gillem et al. 2012). Zusammenfassend kann auch auf Systemebene ein Auftreten von unerwünschten Wirkungen von P4P nicht ausgeschlossen werden. In Verbindung von Risikoselektion, Benachteiligung kleiner Einrichtungen durch statistische Effekte und resultierender Verschlechterung der wohnortnahen Versorgung kann gerade die Besorgung von chronisch, multimorbiden älteren Patienten leiden, die eigentlich durch Instrumente zur Qualitätsverbesserung besonders unterstützt werden sollten. Die Kosteneffektivität der P4P-Programme scheint gegeben zu sein. Weiter: 3. Motivation ..., 3.1. Kontext von P4P: Vier Domänen
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2. Langfristige Effekte und Weiterentwicklung 2.6. Synopse: Unerwünschte Nebeneffekte von P4P 2.6.3. Qualität auf Sektor- und Systemebene, Kosteneffektivität
© Prof. Dr. med. Matthias Schrappe, Venloer Str. 30, D-50672 Köln Impressum und Datenschutz
Schrappe, M.: P4P: Aktuelle Einschätzung, konzeptioneller Rahmen und Handlungsempfehlungen, Version 1.2.1.
Tableau 16.1: Unerwünsche Effekte von P4P. Sektor- und Systemebene ● Gleicher Sektor Teaching to the Test Spill over Bleibende Verbesserung ● System ceiling Benachtieiligung kleiner Einrichtungen Mengenanreiz Versorgung chronisch Kranker Datenschutz
Gliederung: Unerwünschte Nebeneffekte von P4P ● Zugang zur Versorgung einschließlich Kontinuität und   Risikoselektion (Kap. 2.6.1.) ● Professionelle Faktoren (Kap. 2.6.2.) ● Institutionelle Ebene (Kap. 2.6.2.) ● Datenqualität (Kap. 2.6.2.) ● Qualität der Versorgung im gleichen Sektor (Kap. 2.6.3.) ● Qualität der Versorgung auf Systemebene (Kap. 2.6.3.) ● Kosteneffektivität der Versorgung (Kap. 2.6.3.)
M. Schrappe P4P: Aktuelle Einschätzung, konzeptioneller Rahmen und Handlungsempfehlungen